Der mit € 8000,- dotierte Kunstpreis der Stadt Rastatt und des Kunstvereins Rastatt e.V. ging an die Künstlerin Jasmin Schmidt, AdBK Nürnberg, mit der Wandinstallation "favorite vessels".
Kunstpreis 2020 der Stadt Rastatt und des Kunstvereins Rastatt e. V.
Jasmin Schmidt
FAVORITE VESSELS, 2020
fünfteilig, Mixed Media
Die gebürtige Regensburgerin und Meisterschülerin der Kunstakademie Nürnberg schafft in ihrer Wandarbeit einen kontrastreichen, mehrschichtigen Ortsbezug zum Kulturstandort Rastatt. Zu den fünf
nebeneinander hieratisch platzierten Behältnissen im Überformat ließ sich die Künstlerin durch das aus dem 18. Jahrhundert stammende schwarze Porzellan in Schloss Favorite anregen, worauf der
Titel der Installation hinweist, der aber auch ganz allgemein „Lieblingsgefäße“ bedeutet – so jedenfalls die wörtliche Übersetzung von FAVORITE VESSELS. Der Rückgriff auf die Luxus-artikel aus
dem privaten Lustschloss der Markgräfin Sibylla Augusta bei Förch setzt aufgrund der räumlichen und namentlichen Nähe zum öffentlichen Einkaufszentrum der „Schlossgalerie“ einen sinnfälligen
Kontrapunkt, der sich zudem im Verhältnis zwischen dem barocken Design der Chinoiserien aus Schloss Favorite und der modernen Warenwelt der Shopping Mall fortsetzt.
Die spannungsreiche Kontrastierung erstreckt sich auch auf das Raumerleben vor Ort. Die solitär präsentierten und dennoch relativ zueinander stehenden Gefäßformen setzen sich kontraststark in
ihrer dunklen, hermetischen Dominanz vom weißen, lichtdurchfluteten Oberge-schossumfeld ab. Das moderne Architekturambiente in seinem konstruktiven Glas-Beton-Zuschnitt steht in Spannung zu der
haptischen, archaisch anmutenden Materialität der unterschiedlichen Textilgründe, die für die Wandarbeit verwendet wurden. Entsprechend sind die in die Fläche transformierten Riesenbehältnisse
zugeschnitten, vernäht und in überwiegend schwarzem Kolorit bemalt. Die klassischen Formen der abwechselnd schlanken und bauchigen Gefäße, die zueinander in einer rhythmischen Partitur stehen,
versetzen im Wechselspiel von Konvex-Konkav den sterilen Raum mit einer bildhaft getakteten Atmungsaktivität. Die auf der Wand gleichsam schwebenden Silhouetten der Vasenstrukturen demonstrieren
außerdem für sich genommen die Ambivalenz von innerer Leere und äußerer Fülle.
Neben diesem ortsbezüglichen Kontrastprogramm offenbart die Wandarbeit im Schwarz-Weiß-Aspekt und in der Beziehung auf chinesisches Kulturgut ein kulturanthropologisches Moment, worin
interkulturelle Dimensionen aufscheinen, die indirekt im gegenwärtigen Diskurs einer neuartigen Auseinandersetzung mit Kolonialismus und Migration stehen. In ihren Arbeiten verhandelt die
Künstlerin immer wieder Fragestellungen an kulturelle Kontexte, hat sich besonders intensiv mit afrikanischer Kulturproduktion und Rezeption beschäftigt und bringt Aspekte davon immer wieder in
ihre Bilder ein, in denen sie durch Malerei weitergedacht werden. In der formalen Bezugnahme auf das Chinaporzellan nimmt die Künstlerin mit FAVORITE VESSELS den eurasischen Konnex in den
Blick.
Peter Hank
Foto: Oliver Hurst www.oliver-hurst.de